Teil 2: Wo steht der Online-Lebensmittelhandel und wo liegen Gründe, dass sich diese noch nicht durchgesetzt hat?
In Teil 1 hatten wir die Lebensmittelhandel im traditionellen Versandhandel sowie die wenig sachdienlichen medialen Kritikpunkte am Vorstoß von Amazon beleuchtet. In diesem Teil wollen wir die ersten Ergebnisse des Amazon-Vorstoßes versuchen zu deuten und Risiken und Potentiale des Online-Lebensmittelhandels aufzeigen.
Wie kommt das Lebensmittel-Angebot bei Amazon an?
Eigentliche Kernfrage ist doch, ob es für Lebensmittelhandel via Versand außerhalb des etablierten Nischenbereichs in Deutschland einen nennenswerten Markt gibt. Leider liegen noch keine offiziellen Zahlen vor – nimmt man aber die Kundenrezensionen als Maßstab, die zwar sicherlich nicht das Maß der Dinge sind, aber zumindest ein Indikator für die Nachfrage nach dem Angebot sein sollten, dürfte das Thema „Lebensmittel bei Amazon“ ziemlich gefloppt sein – Gourmondo hatte seit Aktionsstart nur wenige hundert Bewertungen eingesammelt, was allerdings durch über 1000 Bewertungen im letzten Monat mehr als überkompensiert wird. Dies sieht dann aber doch mehr nach Präsentkorbgeschäft zu Weihnachten aus, denn nach normalen Lebensmittelkäufern. Bei anderen Anbietern sind fast sämtliche Produkte ohne Bewertung – alles Indikatoren, dass nicht unbedingt tausende Bestellungen getätigt wurden. TTS z.B. als Tiefkühlanbieter hat insgesamt (Stand 17.01.2011) 91 Bewertungen nach über 6 Monaten.
Woran liegt es?
Vermutlich handelt es sich um eine Mischung aus verschiedenen Punkten.
Zum einen ist die Marge im deutschen Lebensmittelhandel, insbesondere wenn es um Markenartikel und um Dinge des täglichen Bedarfs geht, viel geringer als im Ausland. Wenn man sich aber seinen eigenen typischen Einkauf so anschaut, besteht dieser meist als vielen kleinen Einzelartikeln, was in der Logistik hohe Pickkosten verursacht. Wenn man als Faustregel postuliert, dass sich Versandhandel bei durchschnittlichen Warenkörben von 40, 50 Euro zu rechnen beginnt (Ausnahmen gibt es natürlich), kann ein Jeder selbst nachvollziehen, dass dies bei typischen Tages- oder selbst Wocheneinkäufen schwierig zu erreichen ist. Und wenn, würde der Warenkorb meist aus dutzenden von einzelnen Artikeln bestehen – was vermutlich auch dem überzeugtesten Onlineshopper zu viel Klickerei ist. Insofern ist Lebensmittelversand sowohl aus Fulfillmentgründen als auch aus reinen Shop-Usabilitygesichtspunkten sicherlich nicht gerade einfach.
Gerne wird ja auf den Erfolg von Lieferservice-Konzepten in England oder der Schweiz verwiesen. Psychologisch nicht ganz unwichtig sind aber zum Beispiel die Engländer lange Jahrzehnte gewöhnt gewesen, morgens vom Milchmann seine Milch vor die Tür gestellt zu bekommen, sprich die Vorkonditionierung auf Lieferservicekonzepte dürfte einfach grösser und die Hemmschwelle Lebensmittel geliefert zu bekommen geringer sein. Gerne wird auch übersehen, dass Tesco in UK hier ein anderes Auslieferkonzept verfolgt – dort handelt es sich nämlich um einen wirklichen Lieferservice per Auslieferfahrzeug inkl. Kühlzone etc. und nicht um Paketversand.
Insbesondere aber mangelt es in Deutschland bislang auch an einem wirklich für Lebensmittelhandel bekannten Player. Teegut versucht es momentan über Gourmondo als Know-How-Partner, stellt auf seinem Shop aber gleichfalls Nischen- und Bioprodukte in den Vordergrund und liefert erst ab 75 Euro versandkostenfrei. Doch alle anderen Unternehmen, denen man im Lebensmittelhandel Vertrauen und Marktmacht zusprechen würde, versenden keine typischen Lebensmittel – obwohl der Shop von Lidl als erfolgreich gilt und auch Real nachgezogen hat. Aber eben nur für den Non-Food-Bereich.
Wie könnte Lebensmittelhandel via Internet zum Durchbruch kommen?
Und ohne dieses wirkliche Vertrauen und auch die Marketingpower, den Offline-Werbedruck, eines bekannten Players dürfte es überaus schwierig sein, Konsumenten dazu zu bewegen ihre normalen Lebensmittelkäufe online oder per Versand abzuwickeln.
Ein paar Verbrauchsprodukte wie z.B. Kaffeegroßpackungen, wo man traditionell sehr preissensibel ist und wo 20, 30 oder 40 Euro Bestellwert schnell erreicht sind – ja, so was bestellt man vielleicht online. Spezialitäten natürlich auch. Präsentkörbe sowieso. Oder halt nebenbei, wenn man bei dem Versender eh schon was kauft. Ein Dr. Hall zum Beispiel versendet ganz selbstverständlich in Kooperation mit Edeka kühlpflichtige Frischwurst gegen Aufpreis mit.
Aber seine 3 Joghurts, die Packung Discount-Reis für 69 Cent und 2 Packungen Wurst, einmal die Packung Bratwurst und 3 Äpfel dazu nur deswegen zusammengeklickt? Dafür das Internet stundenlang nach Preisen durchforsten und dann noch nicht einmal wissen ob der Anbieter vertrauenswürdig ist? So kleinteilig dürfte Lebensmittelhandel in Deutschland bis auf weiteres schwierig bleiben.
Das Fazit: Einer der letzten unerschlossenen Riesenmärkte im Internet
Insofern: Chancen im Lebensmittelhandel haben und hätten sicherlich die großen und etablierten Offline-Lebensmittelhändler, alleine schon aufgrund ihrer Marketingmacht. Herausforderung ist hier aber neben Filialen auch Distanzhandel zu betreuen, wozu man meist nicht ausgerichtet ist. Dessen ungeachtet ist der Kauf von Lebensmitteln im Internet selbstverständlicher als allgemein angenommen wird – aber auf (größere) Nischen begrenzt und abseits der klassischen alltäglichen Grundversorgung.
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